Ich lese


Als ich die Eltern meines Mannes kennen lernte, geriet ich in eine Art Bewerbungsgespräch. Ihr kennt die Situation. Wenn Mommy und Daddy den Partner mit skeptischen Blick von oben bis unten mustern. Dann wird aus einfachem Smalltalk schnell mal ein Verhör.

Alter, Beruf, Hobby. Alter und Beruf? Kein Problem. Aber Hobby? Hobby! Oh je. Wie sollte ich meinen zukünftigen Schwiegereltern gut verkaufen, dass ich mich in meiner Freizeit an einer Striptease Stange räkelt? Also nur akrobatisch und ohne ausziehen, versteht sich. Aber sind wir ehrlich, ab Stripteasestange hört doch eh keiner mehr zu. Also brummte ich ein wenig vor mich hin um ein gedrücktes: „Lesen“ hervor zu bringen. Lesen. Ich Idiot. Das letzte Buch hatte ich Jahre zuvor in der Hand. Natürlich folgte die Frage, welches Buch ich denn aktuell lesen würde. Da war es dann auch schon vorbei mit der Scharade. Nach unangenehmen Gestammel meinerseits, änderte ich meine Aussage von Lesen zu Tanzen. 

Das ist jetzt schon einige Jährchen her. Und das ich Poledance mache, ist nun alter Käse für die Familie meines Mannes. Ich wurde dafür weder gesteinigt noch gefedert.

Aber warum genau las ich nicht mehr? Hatte ich keine Zeit mehr zwischen dem einen und dem nächsten Netflix Serien Marathon? Oder gab es keine guten Bücher mehr? Als Sprecher gehört lautes Lesen zum Job, wie für den Dachdecker die Dachpappe. Vorausgesetzt der Dachdecker benötigt ständig Dachpappe. Ich kenne mich mit Dachdeckerei nicht aus.

Also schnappte ich mir ein paar Bücher und lies sie an. Die ersten zwei, drei Seiten. Ein Buch darf Spaß machen. Es sollte nicht schnöde oder Langweilig sein.

Ich habe jeden Abend laut vorgelesen. Mehr schlecht als recht. An einigen Tagen fünf Sätze, an anderen ganze Kapitel. Was soll ich sagen? Ich hab das Vorlesen verlernt. Ein Satz, zehn Fehler. Ist okay für mich. Die wichtigste Regel: Es darf schlecht sein. Juckt doch keinen. Ich lese schließlich nicht vor Publikum. Üben, üben, üben. Fehler akzeptieren. Ich halte mich auch nicht lange an einem Satz auf, wenn dieser einfach nicht will.

Meine Lieblingsbücher gerade:
Kommt Oma auf den Kompost, wenn sie tot ist? Von Mark Spörrle.
Heilig über Nacht von Björn Berenz.
FKK im Streichelzoo auch von Björn Berenz.

Habt eine schöne Woche und viel Spaß beim Vorlesen.
Eure Sabrina




gelesen im Oktober 2020

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